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Der Mythos vom Messen und Managen – oder: Was bedeutet “guter Unterricht”?

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von Manfred Bock

Nun, was passiert eigentlich so im Unterricht?

Eigentlich weiß das jeder Lehrer: es passieren ganz unterschiedliche Dinge, einige Beispiele mögen die Vielfalt veranschaulichen:

Schüler A wird durch Lehrer X angespornt, Schüler B nicht, vielleicht gelingt es Lehrerin Y. Schüler C arbeitet Lehrer Y zuliebe, Schüler D aus eigenem Antrieb. Obwohl Schüler E große private Probleme hat, besucht er regelmäßig den Unterricht, Schüler F reagiert auf persönliche Probleme mit Abwesenheit. Schüler G macht sich im Unterricht Notizen, Schüler H vergisst oft seine Unterlagen, Schüler I besitzt gar kein Heft. Schüler J ist von Lehrern oft durch falsche Noten belogen worden, Schüler K kann seinen Leistungsstand realistisch einschätzen. Schüler L erkennt, dass er von Lehrerin X profitieren kann, Schüler M kann Lehrer grundsätzlich nicht leiden. Schüler N hat gelernt, dass er seine Wünsche erfüllt bekommt, seine Psyche verlangt spontane Bedürfnisbefriedigung, Schüler O hat “Triebverzicht” gelernt und seit 10 Jahren immer wieder praktiziert. Schüler P ist durch übermäßigen Medienkonsum aufmerksamkeitsgestört, Schüler Q hört zu, wenn ein anderer im Unterricht spricht. Schüler R ist der vielen Gruppenarbeit müde, er kennt nichts anderes; Schüler S mag Gruppenarbeit, weil er dabei seine Defizite besser verstecken kann, Schüler T mag sie nicht, weil er lieber was vom Lehrer hört. Schüler U engagiert sich in jedem Unterricht, Schüler V nur in Mathe, Schüler W in keinem – vielleicht aus verschiedenen Gründen, vielleicht aus denselben. Ähnliches gilt für X, Y, Z. Begründen können alle ihr Tun – vielleicht, vielleicht auch nicht.

Der ganze Beitrag als PDF: Bock_Mythos Management


Kompetenz

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In unseren Schulverwaltungen und Schulen taucht immer wieder der Begriff „Kompetenz“ auf. Man spricht von „Kompetenzorientierung“ und „Kompetenzrastern“. Was damit genau gemeint ist, erfährt man kaum. Auf eine Definition wird meist verzichtet; auch Hinweise auf die Herkunft des Begriffs sind rar. Entweder scheinen die Nutzer dieses Begriffs vorauszusetzen, dass alle Lehrer, Eltern und Schüler wissen, von was die Rede ist, oder sie wissen es selbst nicht so genau. Die wenigen Andeutungen einer Definition lassen erahnen, auf welche Konfusion sich die Reformen stützen, die „Kompetenz“ in ihrem Wappen führen.
Es scheint dringend geboten, etwas Klarheit in die Diskussion zu bringen und zu fragen, was dieser neue Begriff bringt und welche damit verbundenen Erwartungen einlösbar sind.

Der ganze Beitrag als PDF: Lind-2012_kompetenz

Frankfurter Jahrestagung “Irrwege der Unterrichtsreform” 2012 – Beiträge jetzt erschienen!

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Vorträge der Frankfurter Jahrestagung “Irrwege der Unterrichtsreform” (Tagungsbericht) im März 2012 sind im Schöningh-Verlag erschienen: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik, Heft 3/2012.

Bestellen können Sie hier: Schöningh Verlag Wissenschaft

Inhalt:

Hans Peter Klein/Beat Kissling
Irrwege der Unterrichtsreform

Andreas Gruschka
Strategien zur Vermeidung des Lehrens und Lernens: der neue Methodenwahn

Horst Rumpf
Weder Hürdenlauf noch Informationsagentur — ein Einspruch gegen eine verkürzte Vorstellung von Unterricht

Hinrich Lühmann
Zur Handhabbarkeit von Bildung — Output-Phantasien

Claudia Schadt-Krämer
Schöne neue Schulwelt — Paradoxa einer verordneten individuellen Standardisierung

Hans Peter Klein
Qualitätssicherung durch Notendumping

Konrad Paul Liessmann
Über den Mythos der Wissensgesellschaft

Lutz Koch
Wissen und Kompetenz

Christian Rittelmeyer
Schule — Lehranstalt oder Bildungslandschaft?

Rainer Bremer
Lernwerkstätten — über Illusionen zu praktischem Lernen

Ulrich Herrmann
»Bildung«, »Kompetenz« — oder was?

Meta-Analysen als Wegweiser?

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Zur Rezeption der Studie von Hattie in der Politik.

Einige Bildungspolitiker vertreten gegenwärtig die These, dass Art und Qualität des Unterrichts wichtiger für den Lernerfolg von Schülern seien als die Struktur unseres Schulsystems. Sie sehen sich in dieser These durch die empirische Bildungsforschung bestätigt, vor allem durch die Synthese von über 800 Meta-Analysen über die Bedingungen von (Schul-)Leistung von Professor John Hattie (2009), die sich aktuell großer Beliebtheit erfreut, nicht nur in der Zeit (Spiewak, 2013). (…)

Der Ansatz vom Primat des Unterrichts über die Struktur überzeugt aber auch deshalb nicht, weil die Forschung, auf die verwiesen wird, sie gar nicht stützt – und das, obwohl der Kronzeuge Hattie diese These in seinem Buch Visible Learning selbst propagiert. Hattie fasst in seiner “Synthese” die statistischen Befunde von über 800 so genannten Meta-Analysen zusammen, die ihrerseits wiederum die Befunde von Einzelstudien enthalten, die zusammen genommen auf Testdaten von einigen Millionen Schülern und Schülerinnen beruhen. Das wirkt ungemein beeindruckend, und soll es wohl auch. Die Vertreter der These Pädagogik vor Struktur verweisen denn auch immer auf diese Zahlen, wenn sie Hatties Befunde als Belege oder Beweise oder gar Wahrheiten anführen. Was aber ist falsch an dieser Studie?
Warum taugt sie nicht als Beleg für das Behauptete? Warum kann sie tatsächlich nicht, wie der Autor und seine Bewunderer meinen, als Anleitung für die Steigerung des Lernerfolgs unserer Schüler dienen?

Der ganze Beitrag als PDF: Lind-2013_meta-analysen-als-wegweiser

Bildung als Grundlage für das Leben – Wozu und wohin erziehen wir unsere Kinder?

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Vortrag von Prof. Dr. Jochen Krautz am Collegium Josphinum Bonn am Do., 14. März 2013, 19.30 Uhr.

Informationen

 

 

Die GBW trauert um Claas Timmler

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Unser Kollege Claas Timmler ist am 11.2.2013, drei Tage vor seinem 31. Geburtstag, auf tragische Weise aus dem Leben geschieden. Herr Timmler studierte Pädagogik und Sozialwissen­schaften in Köln, engagierte sich bei den Studentenprotesten 2009 und vertrat streitbar die Sache von Bildung und Wissen auf Podiumsdiskussionen, in Interviews und Rundfunkbeiträgen im WDR. Er half bei der Vorbereitung und Durchführung der GBW-Gründungstagung in Köln und war ein Mitglied der ersten Stunde. Nach seinem Staatsexamen verließ er – trotz eines Promotions­angebotes – die Universität, absolvierte den Vorbereitungsdienst und kehrte im Sommer 2012 in seine norddeutsche Heimat zurück, um dort eine Lehrerstelle anzutreten. Ein kritischer Artikel über die Schulsituation in Bremen für unsere Homepage blieb unvollendet.

Sein Tod ist die schärfste Formulierung einer Frage, die ihn auch zu Lebzeiten umtrieb: Wie kann die Schule für Schüler und Lehrer wieder zu einem lebenswerten Ort werden, an dem Lernen und Bildung in Begegnungen von Personen und Sachen möglich und wirklich sind?

Wir trauern um einen aufrechten, humorvollen und hochsensiblen Menschen.

Im Namen des Vorstandes der Gesellschaft für Bildung und Wissen

Dr. Matthias Burchardt

Köln, den 16. Februar 2013

Über den Wert von Bertelsmann-’Studien’

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lautet der Titel eines Beitrags von Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), der deutlich macht, wie unter dem Deckmantel von “wissenschaftlichen Studien” Lobby- und Interessenarbeit praktiziert wird. An sechs Beispielen zeigt Kraus, wie man durch Auswahl und Interpretation vermeintlich objektiver Zahlen zum gewünschten Ergebnis kommt und zieht das Resümee:

“Es ist höchst fragwürdig, wie sich hier eine private Stiftung in die Bildungspolitik einmischt. Dass die eine oder andere Zeitung Bertelsmann gelegentlich kritisch durchleuchtet, ist nur ein schwacher Trost. Es stimmt aber nachdenklich, wie wenigstens einzelne Zeitungen geurteilt haben: nämlich dass die „Krake“ Bertelsmann eine „Macht ohne Mandat“, die „Nebenregierung in Gütersloh“ und ein „Heimliches Bildungsministerium“ sei. ”

Der Beitrag auf der Website des DL:
Josef Kraus: Über den Wert von Bertelsmann-’Studien’

Der Beitrag als PDF:
Über den Wert von Bertelsmann-’Studien’

Das „Musterländle“ auf schulpolitischen Abwegen

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In bundesweiten Vergleichen stand Baden-Württemberg immer gut da, auch in Sachen Bildung. Ob PISA, TIMSS oder IGLU – in allen Studien schneiden baden-württembergische Schüler überdurchschnittlich ab. Die Kultusminister haben diese Ergebnisse jeweils zum Anlass genommen, sich selbst und ihre Politik ein wenig zu loben – wer will es ihnen verdenken – und gleichzeitig Reformen auf den Weg zu bringen, die – in manchen Fällen mehr, in anderen weniger – geeignet waren, die festgestellten Defizite zu beheben. Im Rückblick und mit ein wenig Abstand stellen sich die Dinge oft klarer dar: die Reformen der letzten zehn Jahre haben zu keinen wesentlichen Verbesserungen geführt, sie haben aber auch keinen großen Schaden angerichtet. Und im Lichte der aktuellen Entwicklungen ist das eine Leistung.

Die grün-rote Landesregierung hat, kaum war sie an der Macht, so viele Reformen angekündigt und angestoßen, dass die Mitarbeiter des Ministeriums den politischen Vorgaben nur noch hinterher hecheln können. Die Folge sind Verwirrung und Verunsicherung auf allen Ebenen. Und dass der neue Kultusminister mehr Gelassenheit ausstrahlt, als seine Vorgängerin, ist zwar begrüßenswert, stoppen jedoch kann und will er die Welle nicht. Wie genau die Schäden aussehen werden, die diese Reformflut anrichten wird, und wer sie zu beklagen haben wird, das kann aktuell noch niemand absehen, aber dass sie Schäden anrichten wird, darüber gibt es keinen Zweifel.

Auch wenn es zunächst nicht danach klingen mag, die hier vorgetragene Kritik ist nicht politisch motiviert, sondern zielt auf die Sache. Sie ist kein bloßer Reflex auf die aktuellen Entwicklungen, der sich nährt aus der Angst um Pfründe. Die Kritik richtet sich gegen ein Vorgehen, das geprägt ist von Dogmatismus und Dilettantismus und bei dem die ursprünglichen Ziele – mehr Bildungsgerechtigkeit und größere Lernerfolge – in den Hintergrund getreten sind.

Gleich mehrere Aspekte der Reformpläne geben Anlass zu Sorge und Kritik: weder SPD noch Grüne hatten vor Beginn ihres Regierungsantritts ein konkretes und finanzierbares Konzept zur Umsetzung ihrer bildungspolitischen Ziele. Sie wollten jedoch ihr Wahlversprechen möglichst rasch auf den Weg bringen und durch die Gründung erster Gemeinschaftsschulen Fakten schaffen. Wie genau ein gerechterer und besserer Unterricht in diesen Gemeinschaftsschulen aussehen sollte, blieb jedoch unklar. Statt zu schauen, wie es um ähnliche Projekte in anderen Bundesländern steht (so z.B. in Hamburg und Schleswig-Holstein), statt renommierte Bildungsexperten und Didaktiker zu befragen und statt auf die Erfahrungen an den Grundschulen zurückzugreifen, kaufte das Ministerium die zweifelhafte Expertise eines Schweizer Bildungsunternehmers namens Peter Fratton ein und nahm sich von ihm gegründete Privatschulen zum Vorbild für die Gemeinschaftsschule in Baden – Württemberg.

Nachdem die Landesregierung dann überwiegend in ländlichen Gegenden Haupt- und Realschulen gefunden hatte, die sich bereitwillig in Gemeinschaftsschulen umbilden ließen, weil sie dadurch ihre Auflösung verhinderten, konnte sie nach gut einem Jahr einen ersten Erfolg in der Bildungspolitik vermelden: 42 Schulen in Baden–Württemberg wurden zum Schuljahresbeginn 2012 Gemeinschaftsschulen. In nahezu allen Fällen handelt es sich lediglich um eine Umetikettierung und den einzelnen Schulen fehlt es an Konzepten, wie sie individuelles Lernen realisieren und dafür sorgen sollen, dass Kinder bestmöglich gefördert werden. Insbesondere die Ankündigung des Ministeriums, die Gemeinschaftsschule setze auch Bildungsinhalte aus dem Gymnasium um, bleibt in den allermeisten Fällen völlig unberücksichtigt. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, sind die allermeisten Lehrer an diesen Schule doch Haupt- und Realschullehrer und haben mit gymnasialer Bildung bisher keine Erfahrung.

Warum wird das Konzept der Gemeinschaftsschule dennoch in den Medien überwiegend positiv dargestellt und findet in weiten Teilen der Bevölkerung Zustimmung?

Dazu tragen im Wesentlichen zwei Faktoren bei: erstens wird das Konzept von Herrn Fratton selbst wie auch vom Ministerium sehr professionell vermarktet und zweitens wirkt das Versprechen von mehr Bildungsgerechtigkeit und individueller Förderung auf viele Menschen höchst attraktiv.

Die Bildungsunternehmer aus der Schweiz – neben Peter Fratton gibt es zwei weitere Akteure, die im Moment die Deutungshoheit über Bildung in Baden-Württemberg für sich in Anspruch nehmen: Andreas Müller aus Beatenberg und Christoph Bornhauser aus Romanshorn – haben im Kultusministerium und in vielen Kommunen und Schulen unkritische Abnehmer ihrer Ideen gefunden, die nicht nur viel Geld bezahlen für Vorträge und Beratung, sondern auch noch versuchen, diese Ideen umzusetzen.

Ein wesentliches Element der Vermarktung ist die Abgrenzung der Gemeinschaftsschule von bestehenden Schulformen. So werden tragende Elemente traditionellen Unterrichts wie Noten, Lehrervorträge oder Klassenuntericht als veraltet und wirkungslos diffamiert, um ihnen dann Konzepte wie Lernbegleiter, Lernjobs und selbstgesteuertes Lernen entgegenzusetzen. Bestehende Bildungseinrichtungen, insbesondere das Gymnasium, werden pauschal abgestempelt zu Anstalten, in denen Schülern im Eiltempo und Gleichschritt unter enormem Druck Wissen eingetrichtert wird. Dass dieses Bild nicht der Wirklichkeit entspricht, darüber sind sich die Protagonisten der Gemeinschaftsschulbewegung wahrscheinlich im Klaren. Aber sie brauchen dieses Bild, um ihre Ideen wirkungsvoller vermarkten zu können. Umso attraktiver wirken dann die Versprechungen, die z.B. in der Hochglanzbroschüre des Ministeriums zur Gemeinschaftsschule gemacht werden. Dort steht zu lesen:

„Alle Menschen, die in einer Gemeinschaftsschule lernen und arbeiten, werden erleben, wie positiv und bereichernd Unterschiedlichkeit sein kann.“

„Lernen findet in der Gemeinschaftsschule nicht dadurch statt, dass man streng und linear einen Fuß vor den anderen setzt, sondern es ist erlaubt und gewünscht, hin und wieder schnell zu laufen, langsam zu gehen, neugierig stehen zu bleiben oder gut gelaunt hin und her zu springen.“ (http://www.kultusportal-bw.de/servlet/PB/show/1376626/Broschuere_Gemeinschaftsschule.pdf)

Schule als soziales Paradies darzustellen und Lernen als eine Mischung aus Trendsportart, Wellnessprogramm und Selbstfindungsprozess zu beschreiben, ist schlichtweg unehrlich. Aber genau das tut das Ministerium.

Auch wenn wir uns als Eltern und Lehrer vielleicht nach einer solchen Schule sehnen, wissen wir doch alle, dass Lernen oft auch ein mühsamer Prozess ist und dass die Gegenstände nicht immer interessant sind. Genau das wird aber ausgeblendet. Uns wird in diesen Vorträgen und Broschüren eine Welt des Lernens vorgegaukelt, die es nicht geben kann. Egal, ob man eine Schule Gemeinschaftsschule oder Realschule oder Gymnasium nennt. Das bedeutet keinesfalls, dass wir nicht Verbesserungen am bestehenden System anstreben sollten. Aber Verbesserungen stellen sich nicht ein, indem man Szenarien entwirft, die es nicht geben kann.

Der Skandal besteht nun nicht nur darin, dass das Ministerium bei der Ausarbeitung und Umsetzung des Konzepts „Gemeinschaftsschule“ gezielt die Fachleute an den Lehrerseminaren und an den Universitäten umgeht und stattdessen für teures Geld Konzepte aus dem Privatschulbereich einkauft, sondern auch darin, dass das Ministerium diese Konzepte offenbar völlig unkritisch übernimmt. So wird – ohne dass dafür bisher der geringste Beleg erbracht worden wäre – vom Ministerium in einem offiziellen Informationspapier zur Gemeinschaftsschule behauptet: „Die Gemeinschaftsschule ist eine leistungsstarke und sozial gerechte Schule.“ sowie „Individuelles und kooperatives Lernen in heterogenen Lerngruppen führt zu bestmöglichem Bildungserfolg.“ (http://www.kultusportal-bw.de/servlet/PB/show/1380290/2012-10-18_Informationspapier.pdf) Wenn dem so wäre, dann müssten die Schülerinnen und Schüler der Freien Schule Anne-Sophie in Künzelsau in Realschulprüfungen und im Abitur überdurschnittlich abschneiden. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Fragt man bei der Schule nach den Prüfungsergebnissen der Schüler, erhält man ausweichende Antworten, konkrete Zahlen sind bisher nicht veröffentlicht.

Sich die Expertise von Bildungsunternehmern einzukaufen und deren Privatschulen zum Vorbild zu nehmen für die Gemeinschaftsschule erscheint dilettantisch und verantwortungslos zugleich. Jedem, der sich nur die Internet-Auftritte der Modellschulen in Beatenberg / Schweiz (http://www.institut-beatenberg.ch/ ), in Romanshorn / Schweiz (http://www.sbw.edu/) sowie im hohenlohischen Künzelsau (http://www.freie-schule-anne-sophie.de/home.html) ansieht, fällt sofort auf, dass diese Einrichtungen mit staatlichen Schulen in Baden-Württemberg schlichtweg nicht vergleichbar sind und auch nie vergleichbar sein werden. Wer von jedem Schüler € 5000.- Schulgeld nimmt, kann leicht behaupten, der „Raum (sei) der dritte Pädagoge“, und kann problemlos dafür sorgen, dass jedem Lehrer immer eine weitere Person zur Seite steht, die sich um einzelne Schüler kümmert. Sich solche Schulen zum Vorbild zu nehmen und gleichzeitig einen ausgeglichenen Haushalt anzustreben ist höchst widersprüchlich.

Das Konzept der Gemeinschaftsschule erfreut sich auch deshalb so großer Beliebtheit, weil es gezielt Wünsche bedient, die in den letzten Jahren immer lauter von Eltern und Bildungspolitikern geäußert worden sind: der Wunsch nach einer Schule, die zugleich Lebensraum ist und der Wunsch nach einer Schule, an der die Kinder ohne den Stress von G8 die gleichen Lernerfolge erzielen, wie in G8. Und genau diese Art von Schule haben die Protagonisten des Gemeinschaftsschulkonzeptes in den letzten Monaten gebaut – nicht aus Stahl und Stein und nicht mit echten Kindern und echten Lehrern in echten Unterrichtsstunden, sondern aus bunten Bildern und klingenden Begriffen, in Power-Point-Präsentationen, in Videos, in Vorträgen und in Zeitungen, die noch nicht erkannten haben, dass es sich bei dem Trend um nicht mehr als die Dampfplauderei von selbsternannten Propheten handelt.

Es ist allzu verständlich, dass sich Eltern eine solche Schule wünschen. Zu erreichen ist diese Art von Schule aber nicht durch eine bloße Umetikettierung von Schulen und eine gezielte Diffamierung von lehrergelenktem Unterricht. Lehren und Lernen gegeneinander auszuspielen und Lehrer als Ewig-gestrige hinzustellen, die das Lernen der Schüler verhindern, ist unseriös. Erreichen lassen sich die Ziele nur durch eine vernünftige Personalpolitik an den Schulen, durch gezielte und kontinuierliche Fortbildungsmaßnahmen und durch weitere Verbesserungen in der Lehrerausbildung.

Schaut man sich die Pläne des Ministeriums zur künftigen Lehrerbildung an, dann findet man jedoch Folgendes: Lehrerinnen und Lehrer an Gemeinschaftsschulen sollen nach und nach zu sogenannten Lernbegleitern umgebildet werden. Die Ausbildung zum Lernbegleiter ist dabei nicht vergleichbar mit einer herkömmlichen Fortbildung, sondern hat den Charakter einer Umerziehungsmaßnahme. Denn hinter dem Begriff „Lernbegleiter“ steht eine völlig veränderte Lehrerrolle, die sich ableitet aus der Denkrichtung des Konstruktivismus und der Annahme, dass man Kindern grundsätzlich nichts beibringen könne. Nicht der Lehrer soll zukünftig maßgeblich verantwortlich sein für die Lernfortschritte seiner Schüler, sondern die Schüler selbst. Die Rolle des Lehrers soll sich beschränken auf das Begleiten der Schüler.

Diese Neudefinition der Lehrerrolle widerspricht jedoch nicht nur dem gesunden Menschenverstand, sondern auch eklatant allen Forschungsergebnissen zu Unterrichtserfolg. Erst 2009 hat der Neuseeländer John Hattie in einer Zusammenfassung von 800 Metastudien nachweisen können, dass erfolgreiches Lernen ganz Wesentlich vom Lehrer abhängt. Andere Faktoren wie Klassengröße, Ausstattung der Zimmer oder Einsatz moderner Medien spielen eine völlig untergeordnete Rolle. Erst in den letzten Monaten ist diese mit Abstand umfangreichste Studie über schulisches Lernen in Deutschland bekannt geworden und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich (z.B. http://www.visiblelearning.de/john-hattie-interview-visible-learning/ und http://www.zeit.de/2011/45/C-Lehrer-Studie/seite-1).

Was genau erfolgreiche Lehrer von weniger erfolgreichen unterscheidet, wird in Hatties Studie im Detail beschrieben und lässt sich in einem Handbuch nachlesen, das Hattie speziell für Lehrer geschrieben hat (Visible Learning for teachers). Hatties Studie – wie auch viele andere Studien – liefern Belege dafür, dass nicht Strukturen wie etwa Schularten über schulischen Erfolg entscheiden, sondern dass schulischer Erfolg im Wesentlichen davon abhängt, ob ein Lehrer gut oder schlecht ist. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Erfahrungen der allermeisten Schüler und erscheint vielen wahrscheinlich als banal. Umso überraschender ist es, dass das Kultusministerium bei der Umgestaltung der baden-württembergischen Bildungslandschaft diese Erkenntnisse genauso ignoriert, wie Erfahrungen aus anderen Bundesländern.

Die Gemeinschaftsschule als Schulart, als Ersatz für ehemalige Hauptschulen, Werkrealschulen und Realschulen wird ohne Zweifel eine Zukunft haben. Dafür werden die Gemeinden sorgen. Dass die ideologische Form der Gemeinschaftsschule aber ein Erfolgsmodell werden wird, das ist kaum vorstellbar. Auf lange Sicht zählen eben nicht Hochglanzbroschüren und Power-Point-Vorträge, sondern Schülerleistungen. Und die hängen massiv von guten Lehrern ab, die schülerzentriert und lehrergelenkt unterrichten, aus der Überzeugung heraus, Verantwortung zu tragen für den Lernerfolg ihrer Schüler.


Marburger Bildungsaufruf – Demokratisierung statt Ökonomisierung!

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Wir brauchen eine neue Entwicklungsrichtung für unser Bildungswesen. Seit Jahren greift die Dominanz ökonomischer Interessen auf Bereiche über, in denen das Wohl von Menschen Priorität haben sollte. Im Gesundheits- und Sozialwesen ist dies bereits sehr deutlich geworden. Auch in der Bildung geht es bei den aktuellen Schulreformen vorrangig um betriebswirtschaftliche Effizienz, Konkurrenz und Verwertbarkeit. Den Preis zahlen unsere Kinder und Jugendlichen, ihre Eltern, unsere Lehrkräfte und Schulen. Den Preis zahlen wir alle.

1. Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen Zeit für ihre persönliche Entwicklung, anstatt durch die Schule gehetzt zu werden. Sie brauchen Zeit für spielerisches Erproben und kreatives Gestalten, für gründliches Nachdenken und kritisches Prüfen sowie für die Entwicklung von Urteilsfähigkeit. „Zeitraub“ (Oskar Negt) durch Schulzeitverkürzung und eine von „Testeritis“ beherrschte Lernatmosphäre behindern Bildung.

Gegen G8 und schulischen Dauerstress!
Für Entschleunigung beim Lernen und ausreichende Entwicklungszeit für alle!

2. Unsere Lehrkräfte haben laut Verfassung des Landes Hessen (Art. 56,4) einen Bildungs- und Erziehungsauftrag wahrzunehmen, demzufolge Bildung mehr darstellt als die Summe messbarer Lernergebnisse. Bildung darf nicht reduziert werden auf ein effizienzorientiertes „Fitmachen“ für den Markt. Die derzeitige Schulpolitik verengt Bildung auf die Vermittlung instrumenteller Fertigkeiten („Kompetenzen“). Wenn jedoch Unterricht so ausgerichtet und immer stärker durch ein „Teaching-to-the-test“ bestimmt wird, bleibt Bildung in ihrer ethischen und emanzipatorischen Funktion auf der Strecke. Lehrkräften kommt im Bildungsprozess eine zentrale Rolle zu. Sie brauchen pädagogische Freiheit und mehr Mitbestimmungsrechte.

Gegen „Bildungsstandards“ und „Kompetenzorientierung“!
Für eine umfassende Bildung für alle!

3. Unsere Schulen müssen für gelingenden Unterricht menschenfreundliche Lernbedingungen bieten können. Dazu gehören u.a. eine umfassende Versorgung mit professionellem Personal (Lehrkräfte, Sozialarbeiter, Mediatoren, Psychologen), eine angemessene räumliche und materielle Ausstattung und Planungssicherheit. All dies muss „Sache des Staates“ bleiben (Verfassung des Landes Hessen, Art. 56,1). Wenn die Regeln der Ökonomie die pädagogischen Prozesse bestimmen, werden Schulen zu Dienstleistungsunternehmen degradiert, die – z.B. als „Selbständige Schulen“ – um „Kunden“ (Eltern und Schüler) wetteifern, anstatt junge Menschen zu gemeinsamer Selbsterziehung und selbständigem Denken und Handeln zu befähigen. Wo es um Bildung und Persönlichkeitsentwicklung geht, darf nicht ökonomische Zweckrationalität bestimmend sein.

Gegen Standortkonkurrenz und Privatisierung!
Für die Stärkung demokratischer Rechte in den Schulen für alle!

4. Unsere Gesellschaft braucht statt angepasster „Selbstoptimierer“ Persönlichkeiten, die beurteilen können, worauf es wirklich ankommt. Wir brauchen Menschen mit Zivilcourage und Empathie, mit Fähigkeit zu Solidarität und mit Verantwortungsbewusstsein für das Allgemeinwohl.

Schule ist kein Wirtschaftsunternehmen! Kinder und Jugendliche sind kein „Humankapital“! Wir fordern deshalb eine Bildung, die nicht dem Markt, sondern der Demokratie verpflichtet ist!

Eine bessere Schule ist möglich!

Erstunterzeichner: Manfred Bock (Lehrer, Marburg), Dr. Matthias Burchardt (Akademischer Rat, Köln), Axel Damtsheuser (Lehrer, Marburg), Birgit Eggers (ehem. hessisches Landeselternbeiratsmitglied), Janis Ehling (Student/AStA, Marburg), Bernd Georgy (Lehrer, Marburg), Andrea Gergen (Lehrerin, Kirchhain), Renate Görg (Lehrerin, Marburg), Dr. Sigrid Hartong (Wiss. Assistentin, Bamberg), Jutta von Hadeln (Lehrerin, Marburg), Prof. Dr. Joachim Hösler (Marburg), Prof. Dr. Anton Hügli (Basel) Dr. Reinhold Hünlich (Pensionär, Marburg), Prof. Dr. Thomas Jahnke (Potsdam), Erwin Junker (Lehrer, Marburg), Prof. Dr. Hans Peter Klein (Frankfurt/M.), Wilfried Müller-Radtke (Lehrer, Marburg), Jochen Nagel (GEW-Landesvorsitzender Hessen), Prof. Dr. Oskar Negt (Hannover), Angelika Voss (Lehrerin, Marburg), Prof. Hans Peter Voss (Karlsruhe), Laurien Simon Wüst (hessischer Landesschulsprecher)

Den Bildungsaufruf unterzeichnen: Marburger Bildungsaufruf Unterschriften

Marburger Bildungsaufruf als PDF

MOOC: Lernsklaven und Klick-Bildung

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Wissen Sie, was MOOC sind? MOOC steht für „Massive Open Online Courses“ und bezeichnet kurze Videos (9 bis ca. 15 Minuten), die man im Netz ein- oder mehrmals anschaut und anschließend Multiple Choice-Fragen dazu beantwortet. Manchmal gibt es ergänzendes Material. Hat man genug Videos geschaut, genug richtige Antworten und auf ein paar Websites oder PDF-Dateien geklickt, kann man sich zu einer „Online-Prüfung“ anmelden.Die Kurse sind (derzeit noch) kostenlos. Die “Prüfungen” kosten ab 100 Dollar. Der Teilnehmer bekommt anschließend ein Zertifikat, das er sich ausdrucken kann. Die Anbieter dieser „MOOC“ verkaufen neben den „Prüfungen“ die Lernprofile der Teilnehmer/innen an potentielle Arbeitgeber, Versicherungen etc. (Online-Learning bedeutet ja, dass alle Aktionen der User penibel protokolliert werden: Welche Videos wurden wie oft geschaut, die Fragen wie schnell beantwortet, welche Fehler wurden gemacht etc.)
Das könnte man als weitere Form des Fernunterrichts oder des eLearnings zur Kenntnis nehmen, stünden dahinter nicht weiterreichende Konzepte und Strategien.

Diese Online-Kurse werden nicht als Online-Kurse vermarktet, sondern als „Universitäten der Zukunft“. Die Zeit titelt „Uni für alle“ (Heft  12/2013; Links siehe unten), die FAZ spricht von der „Globalisierung der Lehre“ (13.3.2013).

Der neue „Bildungsklick“: Skinner-Revival

Die „digitale Lehre“ sei das Lehrmodell der Zukunft. Microsoft, Google, Apple  u.a. sponsern diese Formen des “Lernens” und “Studierens” mit zweistelligen Millionenbeträgen als zukünftiges Geschäftsmodell. “Bildung findet künftig unabhängig vom Besuch einer Universität statt”, schreiben die ZEIT-Journalisten – und zeigen nur, dass sie zumindest sprachlich überfordert sind. „Bildung“ findet nicht statt, sondern ist ein individueller, aktiver Prozess. (Empfehlenswert dazu der Aufsatz von Peter Bieri: „Wie es wäre, gebildet zu sein.“) Bereits die Vorstellung aber, dass man das Schauen von Videos und das Anklicken von vorgegebenen Antworten als „studieren“ bezeichnen könne,  müsste zwangsläufig zu der Frage führen, was hier  unter Lehre und Lernen, Studieren und Bildung verstanden wird. Wären es nur technisch anders codierte Varianten von Inhalten für Selbstlerner und ein Selbststudium wie die Radio-Vorträge beim Funk-Kolleg oder TV-Sendungen wie beim Tele-Kolleg, ließe sich wenig dagegen einwenden. Es wäre die technische Weiterentwicklung und Aktualisierung der Lernmedien. Es geht aber um mehr.

MOOC sind keine Videosequenzen, die man als Vorbereitung für Vorlesungen und Seminare ergänzend anbietet und vorab bereitstellt, so, wie man vor  Veranstaltungen Lektüre ausgibt, die vorab zu lesen ist. MOOC adressieren große Nutzerkreise (mehrere zehn- oder hunderttausend Teilnehmer). Die Abwicklung der Kurse inklusive Prüfung erfolgt vollautomatisch und softwaregesteuert. Es ist die wirtschaftlich effizienteste Methode, große Kohorten von „individuell Lernernden“ mit standardisierten Inhalten und automatisch sowohl vergleich- wie messbaren Prüfungsleistungen zu adressieren.

Wie immer, wenn man technikzentrierten „Lernumgebungen“ hinterfragt, landet man bei der „Ökonomisierung der Bildung“ mit dem Ziel der „effizienten Zurichtung des Humankapitals“. Aus dem sozialdemokratischen “Alle Menschen können lernen” der Nach-68er ist ein neoliberales “Alle Menschen müssen lernen” geworden. Das „lebenslange Lernen“ dient der permanenten „Selbstoptimierung“ für den Arbeitsmarkt. Nur wer sich regelmäßig weiter (be)schulen lässt und Eigeninitiative wie „Lernerfolg“ per Zertifikat belegt, hat noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Mit erfreulicher Klarheit hat das Ludwig Pongratz in seinem Aufsatz „Sammeln Sie Punkte? Notizen zum Regime lebenslangen Lernens“ dargelegt.
Klar ist auch, wer agiert: Kybernetiker und Behavioristen. Weder Lernen noch gar “Bildung” stehen im Zentrum,sondern die Behauptung, Lernprozesse so wie die industrielle Produktion „messen-steuern-regeln“ zu können. Dazu passt die überwunden geglaubte, heute wieder propagierte „Operante Konditionierung“ nach Skinner: operant, da sich der Nutzer aktiv an seiner Abrichtung zum modernen Lernsklaven beteiligt.

Scientific „Biedermänner“

Kurios wird das ganze, wenn man als Professor einer deutschen Hochschule über den Hochschulverteiler aufgefordert wird,  Konzepte für diese Form der „Massive Open Online Courses“ zu entwickeln. Unter dem Titel ” Mooc Production Fellowship” (Link s.u.) schreibt der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft” einen Wettbewerb aus, bei dem man zehn mal 25.000 Euro gewinnen kann, wenn man Konzepte für solche Video-Kurse entwickelt. Ein Grußwort der Kanzlerin gibt es ebenso wie Jurymitglieder aus einem Bildungsministerium (Schleswig-Holstein), Vertreter der Hochschulkonferenz (HRK) und Kolleg(inn)en von Hochschulen und Universitäten, die zusammen mit Jörg Dräger (Bertelsmann) Konzepte für den deutschen MOOC-Markt selektieren und jurieren.

Vielleicht sollten Juroren wie Teilnehmer des Wettbewerbs noch einmal bei „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch nachlesen, welche Folgen Willfährigkeit hat. Warum sollte man das Streichholz reichen zum Autodafé der Bildungseinrichtungen?

Links:

Die Zeit: “Uni für alle

FAZ: Globalisierung der Lehre” (13. März 2013, S. N5)

Peter Birie: Wie es wäre, gebildet zu sein

Ludwig A. Pongratz: „Sammeln Sie Punkte? Notizen zum Regime des lebenslangen Lernens

Wettbewerb:Mooc Production Fellowship von iversity und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ; 250.000 Euro für Lehre und Lernen im Web;

“Demokratie setzt aus”– Tagungsband erschienen

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Tagungsband des Kölner Symposions mit vielen Beiträgen unserer Mitglieder ist im Schöningh-Verlag erschienen: Ursula Frost, Markus Rieger-Ladich (Hrsg.): Demokratie setzt aus – Gegen die sanfte Liquidation einer politischen Lebensform. Paderborn. 2012.

Bestellen: Schöningh Verlag Wissenschaft

Inhalt:

Ursula Frost
»Beraubung des Humanen« — Über allgemeine und politische Bildung

Micha Brumlik
Bildung zum Staatsbürger oder zum Zoon Politikon? Eine Alternative, die keine ist!

Markus Rieger-Ladich
Konsens suchen oder Dissens bezeugen? Bildung, Politik und (Post-)Demokratie

Erik Ode
Die vertagte Demokratie — zur politischen Dimension der öffentlichen Meinung

Matthias Burchardt
Liebesgrüße aus Gütersloh. Eine unsachlich-polemische Meinungsäußerung

Carsten Bünger
Politisch — Postfundamental —Postsouverän. Aussetzer und Einsätze der Demokratie

Silja Graupe
Die Macht ökonomischer Bildung. Das ökonomische Menschenbild und sein Einfluss auf das Demokratieverständnis

Jochen Krautz
Bildungsreform und Propaganda. Strategien der Durchsetzung eines ökonomischen Menschenbildes in Bildung und Bildungswesen

Clemens Knobloch
Über die Postdemokratie im Bildungswesen

Ralph Fehlmann
Den Experten wieder eine Stimme geben: ein Ausweg aus der Falle der Reformitis. Erfahrungen aus der Schweiz: das Projekt ›fach‹

Bernd Hackl/Martin Steger
Das Echtzeit-Lehrstück. Über die Erziehung des Denkens durch öffentliche Urteilsbildung

 

Akademisierungswahn: OECD-Quoten führen zu Bildungsabbau

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Erneut kommen nun in wirtschaftsnahen Zeitschriften Stimmen, die den Bildungsabbau durch Nivellierung der Abschlüsse scharf kritisieren: Wenn alle ein Billig-Abitur haben, wem hilft das? Soll das die Bildungsgerechtigkeit sein, die uns Bildungsökonomen versprechen?

Die Quelle des in der Wirtschaftswoche kritisierten „Akademisierungswahns“ [Artikel] lässt sich klar benennen: Es sind OECD und EU, die entsprechende Vorgaben setzen und denen die Politik ohne Rücksicht auf Verluste nachrennt.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Dieser Bildungsabbau durch Pseudo-Abschlüsse wird von Landesregierungen aller Couleur verfolgt. Auch in rot-grünen Ministerien hört man, dass die die Quotenvorgaben der OECD „nicht diskutierbar“ seien. Das sei „Politik unseres Hauses“. Die grüne Schulministerin in NRW leitet sogar ihr Vorwort zu den neuen Kernlehrplänen mit einem OECD-Zitat ein. Früher waren hier Verfassungsartikel als Präambel üblich.

Es kompliziert manche Diskussion, dass man diese OECD-Politik oberflächlich betrachtet mit dem alten und berechtigten sozialdemokratischen Anliegen nach mehr Chancengleichheit im Bildungswesen verwechseln könnte. Doch wovon einst viele Kinder bildungsferner Schichten profitierten, wird inzwischen für das Gegenteil missbraucht: Nicht mehr Bildung für alle, sondern für alle weniger – nur für eine schmale Elite die Extraportion. Gerechtigkeit durch weniger Bildung für (fast) alle? Das hat mit einem kritisch-emanzipativem Verständnis von Aufklärung und Teilhabe durch Bildung nichts tun: Abbau von Bildung ist nicht gerecht, sondern eine Kampfansage an Demokratie, Kultur – und eben auch die Wirtschaft.

Insofern sind die Stimmen aus der Wirtschaft zu begrüßen: Angesichts der großen Koalition der Bildungsabbauer bedarf es ebenso einer großen Koalition der an Bildung und Wissen Interessierten.

Ist dieses Problem gelöst, kann man immer noch trefflich über Schulstrukturen und pädagogische Detailfragen streiten. Denn liegt das Bildungswesen erst in Schutt und Asche, erübrigen sich auch diese langjährigen Kernfragen der bildungspolitischen Debatte. Allerdings in einer Weise, die ganze Generationen von jungen Menschen opfert.

Digitales Lernen: Geschäftsmodell statt Unterricht?

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„Digitales Lernen“ war eines der Hauptthemen der diesjährigen Didacta im Februar in Köln. „Digitales Lernen“ ist der Titel eines Berliner Magazins und auch der Titel eines Gastbeitrags eines Karlsruher Kollegen dort. Wer recherchiert, wird weitere Beispiele für „digitales Lernen“ finden. Man muss einen Beitrag über „Digitales Lernen“ daher heute zwangsläufig mit einer Banalität beginnen: Kein Mensch lernt digital.

Digital ist weder der Mensch noch das Lernen, digital codiert sind Medieninhalte und Medien. Digitaltechnik liefert die Infrastruktur für die Produktion und Distribution von digitalen Medien. Erst, wenn man sich das klar gemacht  (und dem „Werbesprech der Marketinger“ über digitales Lernen die heiße Luft abgelassen) hat, kann man die notwendigen Fragen zum medialen und digitalen Hype sinnvoll stellen: Helfen digitale Medien und Anwendungen bei der Lehre – wenn ja: Wem, bei was? Und: Helfen Rechner, Software und Netzwerkdienste beim Lernen, wenn ja: Wem, bei was?

Der ganze Beitrag als PDF: Digitales_Lernen: Geschäftsmodell statt Unterricht?

Hochschulautonomie auf bayerisch

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Der „Aktionsrat Bildung“ hat ein neues Expertengutachten herausgegeben: “Qualitätssicherung an Hochschulen: von der Akkreditierung zur Auditierung”.  Werden die Hochschulen wieder autonom(er) in der Gestaltung der Studiengänge und Curricula oder ist es ein weiterer Schritt der Zentralisierung?

Der „Aktionsrat Bildung“ ist eine Initiative der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. Im Jahr 2003 erschien die erste Studie des vbw: „Bildung neu denken“. Der „Aktionsrat Bildung“ wurde dann 2005 institutionalisiert. Im Auftrag des vbw setzten sich „namhafte Experten aus Bildung, Wirtschaft und Recht mit der gegenwärtigen Situation des deutschen Bildungssystems auseinander und entwickelten ein ganzheitliches Konzept für eine tief greifende Bildungsreform.“ Ziel sei eine „offene und zielorientierte Diskussion über den Bildungsstandort Deutschland anzustoßen“ (1). Weder vbw noch „Aktionsrat“ haben einen demokratisch legitimierten Auftrag zu solchen Studien, aber wie Vereine und Stiftungen (Bertelsmann, Vodafone u.a.) kann sich jeder zu Bildungsfragen äußern. Experten für solche Gremien werden anhand der bisher von Ihnen vertretenen und publizierten Positionen berufen. Das ist legitim. Jeder Geldgeber sucht und bezahlt die Experten seiner Wahl.

Für jede gewünschte Expertise gibt es Experten. „Wer zahlt, bestimmt.“ lautet eine Regel, das Gegenstück dazu ist „Wes Brot ich ess…“ Man erinnere sich an Gutachten und Gegengutachten zum Armutsbericht der Bundesregierung, bei dem Experten anhand der identischen Daten nicht nur zu gegensätzlichen, sondern sich ausschließenden „Ergebnissen“ kamen. So weit, so normal und Teil der Wissenschaft bzw. des „Experten- und Gutachterwesens“. Man muss, heißt das, bei jeder Expertise, jeder Studie und jedem Gutachten Akteure, Rahmenbedingungen, Geldgeber und Interessen bedenken.

Die dreizehn Forderungen

Im April 2013 erschien nun ein neues Gutachten mit dem Titel “Qualitätssicherung an Hochschulen: von der Akkreditierung zur Auditierung”. …

Den ganzen Beitrag als PDF: Hochschulautoomie auf Bayerisch

Aktionsrat Bildung / Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V.

Das Gutachten des „Aktionsrat Bildung“ als PDF

Beitrag: Institutionalisierte Denkfehler

Nachlese: GBW-Kongress in Wien

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“Ein chinesisches Sprichwort sagt: Sie schlafen im gleichen Bett – aber träumen sie auch denselben Traum?” Mit diesem Zitat beginnt Mario Gerwig seinen Bericht über GBW-Kongress in Wien “Reformsackgassen und ihre Auswege” am 19. und 20. April in Wien. Der nachfolgende Link führt zur Schweizer Website Lehrkunst.ch und vermittelt einen guten Eindruck über die Vorträge und die Diskussion.

GBW-Kongress in Wien: Reformsackgassen und ihre Auswege/


Peter Frattons „Haus des Lernens“— ein neues Eschaton der Schulreform?

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Bildungspolitische Initiativen zur Schulreform erinnern bisweilen an eine Szene aus dem Monty Python-Klassiker Life of Brian: Der nach einer eher dadaistischen Predigt wider Willen als neuer Messias entdeckte Protagonist flieht vor seinen Verehrern und verliert dabei eine Sandale, die die Proselyten als ein Zeichen interpretieren, seinem Beispiel zu folgen und fortan als „Sandaliten“ eine Sandale am Fuß und die andere in der Hand zu tragen, was zwar sinnlos ist, aber vielleicht zum Heil beitragen mag.

Vor rund fünfzehn Jahren war es Klippert, dessen Sandale der Marke „Methodentraining“ zunächst von der Bildungsadministration, dann aber auch von immer mehr Schulen als neue Heilsbotschaft für die definitive Lösung von Unterrichtsproblemen aufgegriffen wurde und dies bekanntlich mit nachhaltigem Erfolg: Auch wenn man sich namentlich heute kaum noch auf ihn beruft, hat sich die Methodenorientierung mitsamt ihren unerwünschten Nebenfolgen durchgesetzt. Im Unterschied zu Brian war Klippert allerdings kein Messias wider Willen, sondern hat für diese Reputation erheblichen Marketing-Aufwand betrieben.

Der ganze Beitrag als PDF: K.H. Dammer_Frattons “Haus des Lernens”
Erschienen in: Pädagogische Korrespondez, Heft 46 / Herbst 2012, S. 95-109.

»Inklusion« und »Integration« – zum Verständnis zweier pädagogischer Zauberformeln

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Seit 2006 die UN-Konvention über Menschen mit Behinderung alle Mitgliedsstaaten verpflichtet hat, »[to] ensure an inclusive education system«, sind Bildungspolitik und vor allem Sonderpädagogik hierzulande in Aufruhr, zeichnet sich doch das deutsche Schulsystem von jeher besonders stark durch die »begabungsgerechte« Separation seiner Schülerschaft in diesen »Begabungen« angeblich entsprechenden Schulformen aus.1 Zwar stellte bereits die UNESCO-Erklärung von Salamanca eine ähnlich lautende Forderung auf, die jedoch vor 2006 m. W. in Deutschland keine bildungspolitischen Reaktionen hervorriefen, möglicherweise, weil sie keinen verpflichtenden Charakter hatten und weil erst mit den Ergebnissen der PISA-Studien der politische Druck entstand, sich ernsthafter mit der schulischen Reproduktion von Ungleichheit zu befassen, wobei die Frage nach der Chancengleichheit für behinderte Menschen bzw. solche, die schuldiagnostisch so klassifiziert werden, natürlich nicht ausgespart bleiben kann.

Im Zentrum der Debatte steht der Terminus »Inklusion«, der zwar in der Sonderpädagogik schon vorher vereinzelt auftauchte (vgl. Schnell / Sander 2004), aber erst nach der UN-Konvention zu einem bildungsreformerischen Schlüsselbegriff avancierte und von manchen Sonderpädagogen nun sogar zu einem neuen Paradigma erklärt wird (vgl. z. B. Platte 2005, S. 120, im Anschluss an Hinz), welches das Konzept der Integrationspädagogik aus den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts ablösen und zum »Nordstern« (Boban / Hinz 2009, S. 34) für eine neue Erziehungs‑ und Bildungskultur werden könne.

Der ganze Beitrag als PDF: .K.H. Dammer:_Inklusion und Integration
Erschienen in: Behindertenpädagogik, Heft 4 / 2012; S. 352 – 380.

Wozu Kompetenzorientierung?

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Das Kompetenzkonzept im Kontext ökonomistischer Bildungsreformen
Vortrag Prof. Dr. Jochen Krautz

06. Mai 2013, 16.00 Uhr
ZfL, Seminarraum UG, Immermannstraße 49, Köln

Die Kölner Graduiertenschule Fachdidaktik lädt alle Interessierten herzlich ein zum Vortrag von Herrn Prof. Dr. Jochen Krautz, Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Alfter/Bonn.
Kaum ein Konzept der Bildungsreformen seit PISA ist mit so divergenten Erwartungen aufgeladen wie die Kompetenzorientierung. Hiermit werden sowohl ökonomische wie emanzipatorische oder reformpädagogische Hoffnungen verbunden. Die Analyse des “Containerbegriffs” Kompetenz in seiner bildungspolitischen Konkretisierung weist jedoch v.a. dessen funktionalistischen, ökonomistischen und bildungsfremden Charakter aus: Kompetenz zeigt sich hier als Steuerungskonzept zur Anpassung an ökonomisch-technische Verhältnisse.
Der Vortrag beleuchtet die bildungstheoretischen Implikationen des Kompetenzkonzepts sowie die bildungspolitischen Hintergründe und Folgen seiner Durch- und Umsetzung. Diese kritische Besinnung kann darüber hinaus ermöglichen, die positiven Erwartungen, die von vielen Seiten mit dem Kompetenzbegriff verbunden werden, neu zu fassen, um hieraus auch fachdidaktische Perspektiven zu gewinnen.
Im Anschluss an den Vortrag findet von 18.00-20.00 Uhr ein Workshop mit Herrn Krautz statt, für den noch begrenzt Plätze zur Verfügung stehen. Sollten Sie Interesse an einer Teilnahme haben, schreiben Sie uns bitte eine kurze Nachricht an Diandra.Kampen(at)uni-koeln.de.

Tagungsbericht: Irrwege von Bologna

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Carsten Roeger

Am Ende der Tagung Irrwege von Bologna der Gesellschaft für Bildung und Wissen am 13.04.2013 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn fasste Prof. Dr. Jochen Krautz zusammen: Die Bologna-Erklärung von1999 fordert nicht lediglich eine Studienreform, sondern bedeutet eine Veränderung des Selbstverständnisses der Universität. Diese Veränderung des Selbstverständnisses war zugleich der rote Faden, der die Vorträge der Tagung verband.

Prof. Dr. Volker Ladenthin wies zu Beginn der Tagung darauf hin, dass diese Veränderung öffentlich sichtbar werde, wenn in einer Talkshow Wissenschaftler eingeladen werden, um Akzeptanz für Positionen zu schaffen und nicht um unabhängig Wahrheitsansprüche zu prüfen. Wissenschaft zeigt dann keine Alternative mehr zur Lebenswirklichkeit auf, sondern wird von dieser für ökonomische, politische oder private Interessen in Dienst genommen.

Wissenschaftsfremde Interessen haben auch zum Bologna-Prozess geführt. Deswegen untersuchte Dr. Matthias Burchardt welche Ursachen und Akteure den Bologna-Prozess ermöglicht haben, um die Transformation der Hochschulen einordnen zu können. Die Bologna-Erklärung ist weder politisch zwingend, da sie keine völkerrechtliche Verbindlichkeit hat, noch ist sie von Wissenschaftlern gefordert worden. Als wesentliche Akteure nannte Burchardt unter anderem OECD und Bertelsmann. Mit dem Ziel die Akademikerquote und die Employability der Absolventen zu erhöhen übten diese insbesondere durch Change Management (vgl.: Online Lehrbuch Change Management, SFB 597) indirekten Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse aus und setzten die Reform auch gegen vehementen Widerstand von Wissenschaftlern durch (vgl.: Zeit-Online: Sie können das nicht unterschreiben).

Die Erhöhung der Akademikerquote, so Prof. Dr. Bernhard Kempen, wird aber gleichzeitig mit einer Kosteneinsparung verbunden. Indem nicht alle Bachelor (BA) Studierende zum Master Studium (MA) zugelassen werden soll die Mehrheit der Studierenden kürzer studieren. Zugleich werden so systematisch Menschen von einer wissenschaftlichen Bildung ausgeschlossen. Genau dieser Schnitt zwischen BA und MA weist nach Prof. Dr. Michael Hartmann Gemeinsamkeiten zur Exzellenzinitiative auf: Der MA fungiert als Selektion passender Studierender zur Profilbildung der Studiengänge und Hochschulen. Dadurch findet, wie bei der Exzellenzinitiative, eine Konzentration auf die Forschung statt. Hartmann wies ausdrücklich auf folgendes Missverständnis hin: Es ist falsch, dass es in der Exzellenzinitative nur Gewinner und nicht Gewinner aber keine Verlierer gibt. Um dies zu stützen wies Hartmann nach, dass sich die öffentliche Mittelvergabe ebenfalls auf die bereits durch die Exzellenzinitiative geförderten Universitäten und Hochschulen konzentriert. Dies führt letztendlich zu einem Zweiklassensystem von einerseits Lehruniversitäten für Bachelorstudierenden und auf finanziell besser gestellten Forschungsuniversitäten für
Masterstudierende, womit das humboldtsche Ideal der Einheit von Forschung und Lehre aufgehoben ist. Die Profilbildung dient ferner der Sichtbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Universitäten. Die Bologna-Reform kennzeichnet also einen Paradigmenwechsel weg von einer humanistischen Bildungsidee hin zu einem Primat des ökonomischen Denkens im Selbstverständnis der Universität.
Die humanistische Bildungsidee arbeitete Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin ideengeschichtlich auf, um Grundlagen für eine mögliche Alternative zu Bologna aufzuzeigen. Nida-Rümelin beschrieb die Entwicklung der humanistischen Bildungsidee von der klassischen Antike bis hin zu der These Kants, dass Universitäten nicht Ausbildungsstätten sondern der Wahrheitssuche verpflichtet sein sollten. Da die aktuelle Bologna-Reform mit dem BA einen auf Beschäftigungsfähigkeit ausgerichteten Abschluss bereithält folgerte Nida-Rümelin, dass diese Reform ein Rückschritt zur mittelalterlichen Universität sei. Nida-Rümelin plädierte für ein wechselseitiges Verhältnis von Anwendung und Grundlagenforschung ohne Abwertung
des Fachwissens.
Aber gerade eine Abwertung des Fachwissens findet statt. So zeigte Prof. Dr. Hans Peter Klein beispielhaft wie durch die Bologna-Reform die Fachlichkeit in der Lehrerbildung immer mehr zurückgenommen worden ist, wodurch Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit einer Promotion versperrt wird und ihnen anderseits das Wissen fehlt, um sachlich fundierten Unterricht zu erteilen. Genauso problematisch ist die Bologna-Reform für das Medizinstudium. Prof. Dr. Frank Nürnberger argumentierte dafür, dass das Medizinstudium fachlich nicht sinnvoll in BA und MA zu unterteilen ist. So wurde abschließend deutlich, dass aus wissenschaftlicher Sicht die Bologna-Reform nicht plausibel legitimiert ist.
Die Vorträge zeichneten sich dadurch aus, dass sie neben einer sachliche Problemanalyse auch die politischen Zusammenhänge und partikulären Interessen bezüglich der Bologna-Reform darlegten. Auch zeigten sie Alternativen zu den aktuellen Verhältnissen auf. So schlug Matthias Burchardt vor, man solle das aktuelle Hochschulsystem an seinen eigenen (Wettbewerbs-)Bedingungen messen und neben BA/MA, Diplom, Magister und Staatsexamen wieder einführen und sie um die Gunst der Studierenden konkurrieren lassen.

http://unzeitgemaess.wordpress.com/2013/04/30/tagungsbericht-irrwege-von-bologna/

„Marburger Bildungsaufruf“ unterzeichnen

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